Samstag 20. September 2025

Gott hat anscheinend eine Schwäche für Schwache

Sozialpredigt zum 3. Fastensonntag (03.03.2024) im Jahreskreis, Lesejahr B
Autor: Herbert Altmann, Caritas - Regional Caritas Koordinator Kirchdorf

Gott hat anscheinend eine Schwäche für Schwache: 

 

+ für die versklavten Bauarbeiter in Ägypten, die er ins gelobte Land führt. 10  Lebensanweisungen für ein Leben in Freiheit und Gerechtigkeit als Richtschnur für eine geschwisterliche Gesellschaft, gibt er ihnen mit auf den Weg. (1. Lesung) 

 

+ für die schwachen Witwen und Waisen, die durch die Mahnungen der Propheten vor der Ausbeutung durch Könige und Großgrundbesitzer geschützt werden sollen.  

 

+ für die schwachen Kranken, Aussätzigen und Sünder, an die sich Jesus mit seiner Botschaft vom ankommenden Reich Gottes zuerst wendet.  

 

 

Jesus scheut nicht davor zurück, sich mit den mächtigen Priestern im Tempel und den Profiteuren des Unrechtsystems anzulegen. Dies wird ihm auch zum Verhängnis. Als schwacher Mensch und  gescheiterter Messias, stirbt er – von Gott und seinen Freunden verlassen – einsam am Kreuz.  

 

Wie kein anderer hat Paulus in der Frühzeit der Kirche über diese „Schwachstelle“ Gottes nachgedacht und versucht sie sinnvoll zu deuten. Seine Conclusio, sein Fazit haben wir soeben gehört: Eine Torheit, Dummheit, Verrücktheit für den normalen Menschenverstand, ob philosophisch (Griechen) oder religiös (Juden) geprägt.  

 

Das Christentum ist keine Religion für starke Siegertypen, die sich auf einen Siegergott an ihrer Seite berufen möchten. 

 

Leider hat in der Kirchengeschichte eine Allianz aus Thron und Altar genau das aus dem Christentum gemacht. Zahlreiche römische Mosaike zeigen Jesus als himmlischen Weltenherrscher (Pantokrator) und das Kreuz wurde zur Machtinsignie der röm. Kaiser. (Konstantin: “In diesem Zeichen wirst du siegen.“) 

 

Doch der Stachel des Paulus blieb bestehen und im Untergrund gab es immer auch Christinnen und Christen, die das Erbe des Paulus wach hielten. 

 

Einer der dies in der Gegenwart versucht, ist der US-amerikanische Theologe John David Caputo . Ich möchte 3 Kerngedanken seiner „radikal-schwachen Theologie“ mit ihnen teilen. Sie scheinen mir für eine zukunftsfähige Transformation des Christentums unerlässlich.  

 

1. Die Schwachheit Gottes ist seine selbstgewählte Absicht 

 

Gott entzieht sich jeder Form „objektiver“ Erkenntnis/Beweisbarkeit. Indem er darauf verzichtet sich in den Bereich des Seins, bzw. der Existenz zu begeben, kann nur sein Nicht-Sein, seine Nicht-Existenz als „vernunftgemäß“ angenommen werden. So einen Gott können sich all die klugen und vernünftigen Menschen damals und heute nicht vorstellen. Das ist für sie einfach nur dumm/verrückt/unvernünftig.  

 

Für die religiös geprägten Menschen ist so ein Gott unvorstellbar, weil er nicht auf zeichenhafte Art und wundersame Weise in diese Welt eingreifen kann. Ein Gott, der tatenlos und wirkungslos bleibt, ist sinnlos. Wozu dann all die Gebete, Opfer und Rituale, die bei so einem Gott nur ins Leere gehen? 

 

Gott sucht seine Verbündeten unter jenen, die seine radikale Unbedingtheit, sein gänzliches Anders-Sein anerkennen. Kurz: Menschen, die nicht auf Theorien und Dogmen vertrauen, Menschen, die keinen Kult und keine Opfer brauchen, um Gott für sich gnädig zu stimmen. Man kann es nur als Paradox ausdrücken: Menschen, die trotz der offensichtlichen Unmöglichkeit an die Möglichkeit(en) Gottes glauben.  

 

2. Der leise Ruf des Herzens 

 

Gott zieht es vor „inkognito“ d. h. in Form subjektiver, existentieller Tiefenerfahrung zu erscheinen. Gott ist im wahrsten Sinn des Wortes ein Pro-Vokateur, d.h. einer, der etwas in uns hervor-ruft, von dem wir vorher keine Ahnung hatten, dass es das in uns gibt.  

 

Diese Erfahrung kann jeder Mensch dort machen, wo er sich unbedingt und unvertretbar gerufen fühlt, für etwas einzutreten oder für jemanden einzustehen. Würde er das nicht tun, käme dies einem Verrat an sich selbst gleich.  

 

Dieser Ruf trifft uns im Alltag in Form der unbedingten Selbstverantwortung zu handeln: „Wer, wenn nicht ich? Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier?  

Nichts und Niemand kann uns das abnehmen oder an unserer Stelle handeln. Dabei sind wir völlig frei, diesem Ruf zu folgen oder uns ihm zu verweigern. Gott wendet keinen Zwang oder Druck an. Nichts liegt ihm ferner, als uns Angst zu machen. Allein mit den Konsequenzen unserer Entscheidungen müssen wir weiterleben.  

 

So gesehen ist dies Gottes Ruf in die radikale Selbstliebe. „Lebe so, dass du von ganzem Herzen der Mensch bist, der du zutiefst sein möchtest.“ 

 

3. Solidarität mit den Schwachen  

 

Dieser Ruf trifft uns aber auch im Alltag in Form der Verantwortung füreinander. Der Ruf des Mitmenschen nach Hilfe, Unterstützung, Solidarität, Gerechtigkeit, Zuwendung, … ist ebenfalls ein unbedingter Anruf Gottes, den es zu erhören gilt.  

 

Dies geschieht zum einen auf der personalen Beziehungsebene. In der praktischen Nächstenliebe zwischen Ich und Du – von Angesicht zu Angesicht.  

Zum anderen gibt es da auch noch die interpersonelle Strukturebene. Wir können auch „sozialpolitische Dimension“ dazu sagen. Hier geht es darum, Gesetze zu schaffen, die einerseits verhindern, dass Menschen in die Armut abrutschen und anderseits darum, Regelungen zu installieren, die Menschen helfen aus der Armut (wieder) herauszukommen.  

 

Ein Ruf in die radikale Nächstenliebe: „Lebe so, dass du von ganzem Herzen der Mensch bist, den sich deine schwächeren Mitmenschen zutiefst erhoffen“.  

Für Gott zählt einzig und allein, wenn er in Form von mehr Menschlichkeit, d. h. besserer Lebensbedingungen, gerechteren Rahmenbedingungen und solidarischer Unterstützung, … in Erscheinung treten kann.  

 

Fazit: (langer Rede, kurzer Sinn)  

Durch uns, und mit uns und in uns will Gott in dieser Welt wirken und in Erscheinung treten. Wir sind – als schwache Menschen – die sichtbare Ikone, das lebendige Abbild Gottes. Nur durch unser Handeln, kann man darauf schließen, dass die Rede von Gott keine abstrakte Theorie, sondern gelebte, angewandte Praxis ist. 

 

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